Woher kommt eigentlich das Geld?

Eltern, Kinder, Geld – gestern und heute

„Das geht niemanden etwas an“, höre auch ich als Kind. Auf einem Bauernhof in der Lüneburger Heide erfahre ich von meinen Eltern nichts über die Finanzen oder ihren Umgang mit Geld: Wie viel verdient mein Vater mit dem Verkauf von Kartoffeln, Getreide und Schweinen? Wie muss er rechnen? Wie viel kostet es, sieben Personen eine Woche lang zu ernähren? Und um das Dach des großen Bauernhauses neu zu decken, ist bestimmt auch eine Menge Geld in die Hand zu nehmen. Nur, wie finanzieren meine Eltern das? Woher kommt das Geld? 

 

Nein, meine Eltern nehmen mich nie zur Seite und erklären mir altersgerecht das Leben. Was bleibt, sind meine eigenen Beobachtungen. Viele Informationen fehlen jedoch, denn leider ist es schon in meiner Kindheit so wie heute für viele Kinder: Das Geld ist nicht zu sehen. Ich kann nicht sehen, wie mein Vater neues Saatgut kauft, weil er dazu nicht in einen Saatgut-Supermarkt fährt. Kartoffeln, Weizen, Schweine werden geliefert, die Schweine wieder abgeholt. Kein Handschlag ist zu beobachten, der auf einen Handel hindeutet. Alles kommt und ist da und geht wieder.

 

Nicht auszumachen sind auch die Motive, nach denen meine Eltern handeln. Was planen sie, wie versuchen sie, Geld zu verdienen? Warum haben sie Schweine und keine Pferde, so wie ich es mir wünsche? Natürlich gibt es im Umgang mit Geld sehr viele unterschiedliche Strategien, Möglichkeiten und Entscheidungen. Wie viele andere Kinder bekomme ich meist wenig davon mit, wie und nach welchen Kriterien meine Eltern bestimmte Entscheidungen treffen. Ich sehe nur die Ergebnisse. Ob es Alternativen gibt, die besser oder schlechter sind, ist für mich als Kind nicht einzuordnen.

 

Manchmal klagen meine Eltern über die schlechte Ernte, weil es zu nass, zu kalt oder zu trocken ist. Das Wetter hat massive Auswirkungen auf den Gewinn, den meine Eltern machen. Die damit verbundenen Sorgen bekommen wir als Kinder hautnah mit, denn die familiäre Stimmung verschlechtert sich. Wir arbeiten von Anfang an zwar fleißig mit − nach der Schule, in den Ferien −, aber wir werden nie mit einbezogen und die jeweilige Situation wird uns nicht erklärt. Wir sollen uns raushalten, und das tun wir. Ich empfinde das jedoch als sehr belastend und bleibe häufig allein mit meinen Ängsten und Sorgen um die finanzielle Existenz des Betriebes und der Familie.

 

Als der Schrotthändler, der unregelmäßig auf unseren Hof kommt und immer mal wieder etwas mitnimmt, meinem Vater einmal 10  Mark in die Hand drückt, ruft mein Bruder erleichtert: „Papa, jetzt weiß ich endlich, woher das Geld kommt!“ 

 

Und auch ich bin beruhigt.

 

Quelle

Kirstin Wulf: Dann geh doch zur Bank und hol dir welches. Rätselraten ums Geld im Elternhaus. Cividale Verlag 2016, S. 73 ff.

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