Ist es wichtig, dass Kinder Fragen stellen?

Wer mit seinem Kind noch damit beschäftigt ist, das Laufen zu üben, hat noch keine richtige Vorstellung davon, wie es ist, wenn das Kind älter wird und an manchen Tagen ein ganzes Feuerwerk an Fragen abfeuert: Warum leuchtet der Mond, wie lange müssen wir fahren, um nach Ägypten zu kommen, warum ist der Elefant größer als die Maus .... ??

 

Kaum haben Eltern es geschafft, halbwegs kinngerecht und sachlich korrekt zu antworten, geht es schon weiter. Es können bei besonders interessierten Kindern sogar 73 Fragen am Tag sein! (https://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/curious-children-questions-parenting-mum-dad-google-answers-inquisitive-argos-toddlers-chad-valley-tots-town-a8089821.html). Das ist nicht selten frustrierend und ehrlicherweise ganz schön nervig oder gar ermüdend. Daher ein Hoch auf uns und unsere Geduld, auch wenn es nicht immer gelingt, ruhig und respektvoll mit jeder Situation und Frage umzugehen. 

 

Ja, wie gehen wir damit um? Viele von uns schnappen sich das Handy und nutzen die entsprechenden Suchmaschinen. Andere erfinden schnell einfache Antworten. 

 

#1 warum stellen Kinder Fragen?

 

Früher hieß es, dass Kinder mit ihren vielen Fragen vor allem Aufmerksamkeit suchen. Echtes Interesse und die Fähigkeit, zu verstehen, wonach sie fragen, wurde ihnen abgeschrieben. Mit drei, vier oder fünf Jahren sei es eben nicht möglich, die Welt in seiner Komplexität zu begreifen und entsprechend einzuordnen. Die Geschichte der negativen Sichtweisen auf die Fragen von Kindern ist lang. Jean-Jacques Rousseau war der Ansicht, dass es besser sei, Kinder zu ermuntern, selbst Antworten auf ihre Fragen zu finden, statt sich auf die Autorität der Eltern zu verlassen. Das sei wichtig für ihre freie Entfaltung. Piaget wiederum betonte, dass Kinder eher auf der Suche nach den Vorteilen von Phänomenen seien und weniger Ursache und Wirkungen von Dingen verstehen wollten (Naive Theorie: https://de.wikipedia.org/wiki/Naive_Theorie). 

 

Eine französische Wissenschaftlerin (Michele Chouinard: Children's questions: a mechanism for cognitive development) fand 2007 heraus, dass 2/3 aller Fragen auf der Suche nach Informationen sind: https://www.ascd.org/el/articles/what-children-learn-from-questioning): "Given these huge numbers, it seems likely that children can learn a lot from asking questions. Of course, exactly what they learn depends on how their questions are answered." 

 

"If they received a satisfactory answer, they often expressed agreement or followed up with another question on the same topic. But if they received an unsatisfactory answer, they were more likely to offer their own explanation or to ask their question a second time. Apparently, when children ask a why or how question, they're genuinely seeking information."

 

Somit kommen wir heute zu der Erkenntnis, dass die Beantwortung von Kinderfragen Kinder nicht abhängiger macht, sondern im Gegenteil, es ist die Grundlage dafür, dass es ihnen hilft, selbst zu denken. (s.o.).

 

Hans Rauschenbach hat sich vor vielen Jahren mit der Frage auseinandergesetzt, woher die Kinderfragen überhaupt kommen. In gleichem Maße hat ihn interessiert, welche Rolle Eltern spielen, die auf die Fragen ihrer Kinder unterschiedlich reagieren. 

 

Kinder, so schreibt Rauschenbach, "sind im Begriff, sich in ihrer Lebenswelt zu orientieren; dabei stoßen sie beständig auf Grenzen. Viele Erfahrungen scheinen ihnen erklärungsbedürftig; durch ihre Fragen wollen sie sie ergänzen. Sie wollen wissen, wie alles ist und warum es so ist, wie es ist. Andere Fragen kommen ihnen, wenn ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Ängste und Zweifel wach werden; manche davon scheinen ganz einfach zu sein, etwa diese: Warum man etwas nicht haben soll oder etwas nicht tun darf. Einige sind freilich schwer zu beantworten, etwa diese: Warum der Vater nicht arbeitet, oder warum er nicht mehr nach Hause kommt. Wieder andere scheinen schlechthin unbeantwortbar, etwa: Wie es ist, wenn man stirbt, und warum die Menschen überhaupt sterben müssen." (Hans Rauschenberger: Kinderfragen - Entwicklung, Bedeutung, S. 765).

 

Und die Erwachsenen? Schauen wir nochmals bei Rauschenbach nach: "Alle diese Fragen haben eines gemeinsam: Die Erwachsenen können sie im Grunde selbst nicht beantworten, jedenfalls nicht so, daß es für die Kinder plausibel wäre.

Oft weichen sie aus oder lenken ab oder geben ihre eigenen Antworten, mit denen die Kinder nichts anfangen können. Dabei kennen die Erwachsenen alle diese Fragen gut, aber sie haben es aufgegeben, für sich selber nach Antworten zu suchen. Deshalb haben die Erklärungen, die sie den Kindern geben, meist einen resignativenUnterton. Wenn sie sagen: „Das verstehst du jetzt noch nicht", meinen sie im Grunde, daß sie selber es nicht verstehen. Sagen sie: „Das erkläre ich dir später", so bedeutet dies, daß sie selber das Problem vor sich herschieben. Offenbar haben die Kinder nicht nur mehr, sondern auch ursprünglichere und weitreichendere Fragen als die Erwachsenen." (ebenda)

 

 

What Children LEARN from Questioning September 2015Educational leadership: journal of the Department of Supervision and Curriculum Development, N.E.A 73(1):24-29 https://www.ascd.org/el/articles/what-children-learn-from-questioning 

 

# Was lernen Kinder, wenn sie Fragen stellen?

 

“The power of questions, though, is that children can easily use them from a very young age to gather information from others when they are unable to do so themselves,” she says. “And for so much of what children learn about the world, from understanding scientific concepts to recognizing the reasons underlying religious and cultural rituals to a whole host of other things, children cannot find the answers without help from others.” https://theswaddle.com/how-to-stimulate-curiosity-questions/

 

Yet questions are remarkably complex. Mills refers to the brain functions involved in crafting a question – speech, memory, reflection, big-picture thinking, inhibition – rather than a specific process of asking.

 

Müssen wir die Ernst nehmen? Uns überhaupt damit beschäftigen?

 

Generationen haben es geschafft, diese Fragen möglichst undramatisch und am Rande der Aufmerksamkeit abzuhandeln. Sinn und Zweck war, im Sinne der gesellschaftlichen Regeln zu handeln. Über Geld soll nicht gesprochen werden. Und je eher und vehementer ein Kind das lernt, um so schneller hat es diese Regel verinnerlicht und somit akzeptiert. Keine weitere Fragen.

Wie kommt es, dass immer wieder heutige Erwachsene von diesen Erinnerungen erzählen, die sie meist noch lebhaft in Erinnerung haben. Letztens fuhr ich mit dem Zug, kam mit einer jungen Ärztin aus Hamburg ins Gespräch, die gerade schwanger war. Sie erzählte von ihrem Beruf, ich von meinem. Ja, natürlich habe ich die Frage: Wie viel verdienst du? auch meinem Vater gefragt. Sie könne sich noch sehr gut an den Moment, auch an den Kontext erinnern, woher der Impuls kam, den Vater fragen zu wollen. Es gab dazu eine Menge zu erzählen. Doch der Vater beendete das Schauspiel damals - wir sprechen hier von der Zeit um die Jahrtausendwende - mit einem einzigen Wort. Genug, sagte er. Er verdiene genug. 

 

Das wars. Keine Erklärung, kein Angebot, Nachfragen stellen zu dürfen. Kein Interesse an den Hintergründen, die zur Frage der Tochter geführt haben. 

 

Researchers at the University of Belgrade found that there are three types of questions most children ask:

  • cognitive
  • social
  • operational questions

http://www.inovacijeunastavi.rs/wp-content/uploads/Inovacije2-17en/PR08.pdf 

 

“Asking questions is what brains were born to do, at least when we were young children. For young children, quite literally, seeking explanations is as deeply rooted a drive as seeking food or water.” – Alison Gopnik.

 

 

Papa will darüber nicht sprechen. Seit Generationen schaffen es Eltern ihren Kindern dies unmissverständlich klarzumachen. Es ist noch nicht einmal ein offen ausgesprochenes Verbot: Kein Besuch, keine Süßigkeiten, kein Computerprogramm. Darüber hätte man ja diskutieren können. Wie doof, wie ungerecht, wie inakzeptal. 

 

Ein Tabu ist nun mal mehr als ein Verbot. Es ist dieses komische Gefühl, dass ich als Kind bekomme, wenn mir das Gefühl vermittelt wird, ich hätte lieber nicht fragen sollen. Etwas, das mich seltsam zurücklässt, wenn wir uns zuvor - völlig naiv - mit unserer Frage nach draußen gewagt haben. Vielleicht haben wir gar nicht darüber nachgedacht, ob wir diese Frage überhaupt stellen dürfen. Wann ein guter Zeitpunkt wäre und ob wir die Frage auf eine gewisse Art oder Weise stellen sollten. Nein, meist kam sie herausgeschossen, unbedarft und interessiert. Mal mit weniger Vorgedanken, mal mit einigen Hintergedanken.