Smonday

Sonntag. Hinter mir liegt ein langes Wochenende. Morgen ist Montag. Wie ich mich abends um 20.30 Uhr fühle? Ich könnte heulen. Doch warum? Was bedrückt mich? Ich kann dieses Gefühl, das so alt ist, wie ich denken kann, kaum in Worte fassen. Es fühlt sich an wie Abschiedsschmerz. Wehmut (was ist eigentlich Wehmut?). Das Wochenende ist zu Ende. Meine Gedanken schwingen wie auf einer Schaukel zwischen den letzten Tagen und dem morgigen Wochenanfang. Der Moment wird durch die Vergangenheit und die Zukunft vergiftet. Hier und jetzt hat keinen Wert mehr. Nichts Schönes kann mich gedanklich aufheitern. Es passt, dass ich noch nicht mal Lust habe, mir etwas zu essen zu machen, obwohl ich Hunger habe. Wenn der Hunger größer wird, wird auch mein Leiden größer. Die Strafe für das, was ich alles nicht gemacht habe, was ich vielleicht hätte machen wollen. Für das, was ich nicht erreicht habe, was ich mir so sehr wünsche. Für das, dass es mir nie gelingt, zufrieden mit etwas zu sein, was keine Ergebnisse hervorgebracht hat. Ein Schwebezustand, der nichts mehr ist als das Wiederkäuen der Ideen und Ansprüche plus dem Mix an Selbstbeschimpfungen, dass ich es nie schaffe, das zu erreichen, was ich will. 

 

Ein Telefonat mit einer Bekannten, der ich gerade versucht habe zu erklären, wie ich mich gerade fühle. Doch sie konnte mir nicht folgen. Schön wäre, wenn sie gesagt hätte, das kenne ich gut. Irgendwie hat sie es gesagt, doch ein Beispiel genommen, das in ihren Worten nicht wirklich schlimm klang. Wenn sie Zeitungsartikel und Bücher in ihrer Wohnung stapelt, die sie lesen möchte, doch nicht dazu kommt. Und ich höre mich sagen: Wenn ich nicht immer so einen hohen Anspruch an mich selbst hätte, dann wäre ich zufriedener. Kann ich nicht mit dem zufrieden sein, was ich habe? Es ist alles ok, kein Drama, keine schlimmen Baustellen. Das war mal anders, wird wieder anders sein. Hier und jetzt einfach mal wieder das Gefühl, ich möchte mich mit anderen Dingen beschäftigen, meine Fähigkeiten und Ideen anders oder eben überhaupt mal einbringen. Pflichtaufgaben unerledigt lassen und Ideen in die Welt bringen, die mich stolz machen könnten. 

 

Stattdessen sitze ich hier und schreibe und klage über ein Gefühl, dass so ist als könnte ich weinen. Es drückt auf den Brustkorb, ich werde lustlos, müde. Bin hungrig und marschiere in den Zustand, wo bald nicht mehr viel geht. 

Meine Gedanken gehen zu A., den ich heute vor den Kopf gestoßen habe, weil ich mich nicht ablenken lassen wollte. Der froh gewesen wäre, wenn ich ihm nur eine Viertelstunde geschenkt hätte. Ich wollte die da draußen nicht sehen, noch mehr Handlungsdruck und der Spiegel, der mir zeigt, dass ich mehr will als ich kann. Keine positiven Impulse und Aufbruch. Obwohl ich den natürlich gerne auch für mich hätte. Und doch sitze ich hier alleine und drehe mich beständig im Kreis. Es macht keinen Sinn so. Ich brauche Unterstützung von außen. Jemand muss mir einfach helfen. 

 

Ich will gedanklich alles vereinen. Meine Themen, meine Arbeit. Will nicht immer etwas beenden, wenn was Neues ansteht. Und doch ist es kaum zu lösen, denn Eltern dazu zu bewegen, über Geld zu sprechen, ist nicht nur ökonomisch betrachtet, ein schwieriges Unterfangen. Nur weil es mir noch nicht gelungen ist, heißt es nicht, dass es geht. Vielleicht geht es, aber nicht so, wie ich es mache. 

 

Dann immer wieder die anderen, die mir gut zureden und sagen, Mensch, das mit dem ADHS ist doch etwas, was Dich treibt, was Du kannst, wo so viel drinsteckt. Das stimmt. Und doch stehe ich immer wieder selbst auf der Bremse. Was kann ich denn aus anderen Erfahrungen lernen? Was mitnehmen und wie anfangen? Wie mir Hilfe und Unterstützung suchen und finden? 

 

Ich drehe mich im Kreis und je länger ich es tue, um so weniger selbstbewusst werde ich. Denn ich verliere mit jedem Dreh den Mut und den Glauben, dass ich mich aus dieser Falle selbst befreien kann. Du schaffst es ja doch nicht, warum nur, immer... und ich höre auf an den Gedanken zu arbeiten, wie ich es schaffen könnte. Das scheint ein Muster zu sein. Die Bestätigung, dass es für mich nur den Kreis gibt. Dass ich zwar gerne ausbrechen möchte, um endlich mal die lange Chaussee entlangzulaufen, aber der Wunsch und die Motivation nicht ausreicht, es auch zu schaffen. Wer es nur halbherzig versucht, mit seinen Gedanken eher an dem Erhalt des Status-quo arbeitet, statt zu überlegen, was konkret zu tun ist, um auszubrechen, der schafft es nicht. Und wenn die vielen Gedanken dann irgendwann so ermüden, ich weiter im Kreis laufe, dann kommen die Fantasien von den Bergen und Hügeln, den saftigen Wiesen und langen Autobahnen. Ich laufe im Kreis, träume und habe weder jetzt oder morgen eine Ahnung davon, wie die Schritte zum Ziel aussehen müssten. 

 

Das habe ich vielleicht noch nie so in Worte gefasst, aber das genau ist mein Gefühl. Kaum steht es hier, bewegt sich in mir etwas. Ist die Formulierung und das Schreiben ein Weg, meinem Gedankenkarussel zu entfliehen? Meinem Umsetzungsdefizit in vielen Lebenslagen ein Schnippchen zu schlagen? 

 

Irgendwann habe ich einen Artikel gelesen, dass Menschen mit ADHS besser nachdenken können, wenn sie mit anderen reden. Wenn sie ihre eigene Stimme hören, einen Gegenpart haben, der Impulse setzt, um die Gedankengänge konstruktiv werden zu lassen. 

A. fällt so oft aus. Es gab Zeiten, da funktionierte es. Jetzt ist es so, dass wir es aber nicht hinbekommen. Und warum sollte ich etwas einfordern, was ich selbst bei mir noch nicht einmal umgesetzt bekomme? So vergeht die Zeit und alles bleibt, wie es ist. Ich lenke mich ab mit anderen Baustellen. Freue und ärgere mich über andere Dinge. Und doch beschäftigt mich die Sache mit den beruflichen Aktivitäten schon sehr. Ökonomisch - klar, denn irgendwann wird es nicht mehr reichen, um meinen Lebensstandard, bzw. die Wohnung zu halten. Die Kinder fliegen aus, die Wohnung ist zu groß, der Unterhalt und das Kindergeld sind weg. Da brauche ich mindestens 1000 Euro mehr im Monat. Das muss ich doch schaffen. Und heute den Grundstein dafür legen. 

 

Ich habe mit Susanne gesprochen. Ich werde anfangen, mit ihr ein paar Cartoons zu erstellen. Sie will eine Idee zum Anfang. Dann können wir anfangen. Ob es gleich lustig wird oder eher nachdenklich macht — ich weiß es nicht. Aber vielleicht bringt es erst einmal typische ADHS-Erscheinungen zum Vorschein, über die zu sprechen ist. Nachdenklich, ironisch, sarkastisch, böse, lustig, empathisch, absurd. Wäre das ein Anfang?

 

Es ist nicht die Zeit, einen Verein zu gründen. Viel zu viele Kosten. Die braucht es nicht. Ich bin ich und als ADHS-Frau habe ich doch einen fast-Alleinstellungstitel. So viele gibt es da draußen nicht. Doch was brauchen die?

 

Erwachsene? Frauen? Eltern? Gleichaltrige? Junge Menschen? Was kann ich liefern? Was anbieten? Womit einen Anfang machen, damit sich daraus etwas entwickelt? Kein ausgefeiltes Konzept, aber ein solider Anfang? Was könnte es sein?

 

Mir geht es besser, all diese Fragen hier aufzuschreiben. Soll ich das jeden Tag machen? Immer mal wieder ADHS-Gedanken in ein Blog-Format gießen? Was wäre das Ziel (außer Selbsterkenntnis?) Was könnte Leser*innen daran interessieren?

 

Im Blog teile ich neue Erkenntnisse — welche könnten das sein?  

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